Sagt z.B. ein Kolleg zu dir: „Nie schreiben Sie das Protokoll rechtzeitig!“, sagt er dir eigentlich, dass sein Bedürfnis nach Ordnung/Struktur und vielleicht sogar nach Sicherheit unerfüllt ist.
Oder deine Chefin sagt zu dir: „Sie sind ja schon wieder zu spät!“, bittet sie dich indirekt darum, ihr Bedürfnis nach Wertschätzung und Effizienz zu erfüllen.
Schimpft jemand mit dir, kritisiert er dich oder interepretiert er dein Verhalten, dann ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass Bedürfnisse bei ihm gerade unerfüllt sind. Genauso verhält es sich, wenn du vor dich hin meckerst, andere bewertest oder be-/verurteilst. Das zeigt, einige deiner Bedürfnisse sind gerade im Mangel - unerfüllt.
Bedürfnisse als Motivator für unsere Handlungen
Mit jeder unserer Handlungen, Aussagen oder Taten erfüllen wir uns ein Bedürfnis. Das ist eine der Grundannahmen in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK). Und zwar immer und jederzeit.
Selbstverständlich billigen wir deshalb nicht alle Taten. Es gibt Handlungen, da fällt es sicherlich schwerer sich in den anderen einzufühlen, beispielsweise bei Mord, Überfall oder Amokläufen.
Es gibt im Alltag jedoch viele kleine und große Gelegenheiten einfühlsam zu bleiben, auch wenn du genervt bist von deiner Kollegin, deinem Vorgesetzten oder einem Kunden. Denn gerade diese Empathiefähigkeit bietet dir die wunderbare Möglichkeit, die Verbindung im Ernstfall zu dir selbst und deinen Mitmenschen zu halten.
Die Lösungen, die du gemeinsam mit den anderen auf dieser Grundlage erarbeitest, berücksichtigen die Bedürfnisse aller, sind nachhaltiger und tragfähiger.
Strategieebene
In Konflikten jedoch tritt gerade diese Sichtweise oft in den Hintergrund. Wir drücken unsere Bedürfnisse indirekt durch Bewertungen und/oder Interpretationen aus. Menschen neigen dazu, wenn sie
etwas hören, das auch nur ansatzweise wie Kritik klingt, mit einem Gegenangriff oder verteidigend zu reagieren.
Viele von uns haben es leider nicht gelernt, auf der Bedürfnisebene miteinander zu sprechen. Wir sind eher auf der Strategieebene unterwegs. Also auf der Ebene, wie wir uns unsere Bedürfnisse
erfüllen möchten.
Klar, wir haben alle unsere Lieblingsstrategien, wie wir uns unsere Bedürfnisse erfüllen. Auch deine Mitmenschen. Manchmal braucht es nur eine kleine Erinnerung, dass es auch andere Wege gibt, wie wir uns das Bedürfnis erfüllen. Das setzt allerdings voraus, dass wir uns darüber klar sind, welches Bedürfnis wir uns gerade erfüllen möchten.
Alle Menschen auf der Welt haben die selben Bedürfnisse
Die Erfüllung unserer Bedürfnisse ist die Motivation für unser Handeln. Eine weitere Grundannahme in der Gewaltfreien Kommunikation (GFK), besagt, dass wir alle die selben Bedürfnisse haben. Und zwar unabhängig von Alter, Herkunft, Geschlecht, Religion, Hautfarbe oder was Ihnen noch an Kategorien einfällt. Wir unterscheiden uns lediglich darin, wie wir uns unsere Bedürfnisse erfüllen.
Betrachten wir beispielsweise das Bedürfnis nach Sicherheit: Dem einen reicht eine einfache Hütte, um häusliche Sicherheit für sich zu erfüllen. Ein anderer baut sich eine Villa. Wieder ein anderer häuft Geldbeträge auf einem Konto an und erfüllt sich damit finanzielle Sicherheit und der nächste fährt lieber mit der Bahn als mit dem Auto, weil er sicher ankommen möchte.
Die GFK ist ein Verständigungsprozess, der uns hilft Beziehungen auf Basis gegenseitiger Achtsamkeit und Wertschätzung zu führen. Dadurch lernen wir, mit Konflikten konstruktiv umzugehen und auch
in schwierigen Beziehungen und herausfordernden Situationen einvernehmliche Lösungen zu finden, die die Bedürfnisse aller Beteiligten im Blick haben.
Die folgende Bedürfnisliste dient für Sie als Unterstützung im Arbeitsalltag, Ihre eigenen unerfüllten Bedürfnisse und die, Ihrer Kollegen zu vermuten. (Diese Liste erhebt nicht den Anspruch
vollständig zu sein. Bitte nutzen Sie Ihre Formulierungen, um sich auszudrücken.)
Bedürfnisliste
Ankerkennung, Akzeptanz, wie ich bin
Begeisterung/Freude
Bewegung
Ehrlichkeit, Echtheit, Authentizität
Gemeinschaft
Kreativität
Ordnung, Rhythmus, Ritual
Schutz, Sicherheit
Selbstvertrauen
Sinn(haftigkeit)
Verstehen (große Zusammenhänge)
Wertschätzung, für mein Handeln
Bedauern/Trauern, Feiern
Beteiligt sein, Beitragen
Bildung/Wachstum
Friede
Integrität (meinen Werten entsprechend leben)
Mit mir eins sein
Selbständigkeit
Selbstbestimmung/Autonomie
Unterstützung
Vertrauen
Bildquelle: Birgit Schulze
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