Eine der Grundannahmen der Gewaltfreien Kommunikation lautet:
Meine Gefühle werden von Handlungen anderer ausgelöst, aber nicht verursacht. Die Ursache meiner Gefühle sind meine unerfüllten oder erfüllten Bedürfnisse. Ebensowenig bin ich die Verursacherin
der Gefühle anderer Menschen.
Ich möchte diese Grundannahme noch um den Gedanken erweitern: Viele Auslöser für meine Gefühle liegen in der Vergangenheit. Sie werden durch neu hinzukommende Auslöser verstärkt.
Wenn ich mir diese Grundannahme zu nutze mache, hilft mir die daraus gewonnene Erkenntnis, Verantwortung für meine Gefühle und die Erfüllung meiner Bedürfnisse zu übernehmen.
Kennst du die Geschichte vom Mann und dem Hammer und seinem Nachbarn von Paul Watzlawik?
„Ein Mann will ein Bild aufhängen. Den Nagel hat er, nicht aber den Hammer. Der Nachbar hat einen. Also beschließt unser Mann, hinüberzugehen und ihn auszuborgen. Doch da kommt ihm ein
Zweifel: Was, wenn der Nachbar mir den Hammer nicht leihen will? Gestern schon grüßte er mich nur so flüchtig. Vielleicht war er in Eile. Vielleicht hat er die Eile nur vorgeschützt, und er hat
was gegen mich. Und was? Ich habe ihm nichts getan; der bildet sich da etwas ein. Wenn jemand von mir ein Werkzeug borgen wollte, ich gäbe es ihm sofort. Und warum er nicht? Wie kann man einem
Mitmenschen einen so einfachen Gefallen abschlagen? Leute wie dieser Kerl vergiften einem das Leben. Und dann bildet er sich noch ein, ich sei auf ihn angewiesen. Bloß weil er einen Hammer hat.
Jetzt reicht´s mir wirklich. - Und so stürmt er hinüber, läutet, der Nachbar öffnet, doch bevor er "Guten Tag" sagen kann, schreit ihn unser Mann an: "Behalten Sie Ihren Hammer".
(aus P. Watzlawick: Anleitung zum unglücklich sein.)
Der Nachbar hat nichts mit den Gedanken und Gefühlen des Mannes zu tun. Vermutlich geht es ihm um Verbindung oder Sicherheit in der Beziehung zum Nachbarn und um Unterstützung in Bezug auf das
Aufhängen des Bildes. Da wir ihn nicht fragen können, bleibt uns hier die Möglichkeit des empathischen Vermutens.
Schlüsselunterscheidung: Empathisches Erraten/Vermuten/Ahnen vs. Wissen/intellektuelles Herumraten
Diese Schlüsselunterscheidung dient dir als Hilfestellung, deinem Kopfkino zu entgehen. Wenn du mit deinen Kollegen, Mitarbeitern oder Kunden wirklich in Kontakt kommen möchtest, ist empathisches Vermuten ein Weg, durch den die Verbindung gelingen kann. Auch am Arbeitsplatz.
Gibt es da vielleicht einen Kollegen, der dich heute nicht gegrüßt hat? Der sich den letzten Kaffee aus der Kanne genommen hat? Der immer noch nicht auf deine Mail von vor drei Tagen reagiert hat?
Empathisches Erraten/Vermuten/Ahnen
Wenn ich in erkundender, empathischer Intention einen Menschen frage, äußere ich Vermutungen und lasse ihm die Möglichkeit, über das Angebot in meiner Frage mit sich in Verbindung zu kommen.
Du kannst dir die folgende Fragen stellen:
Vermute ich, was andere beobachtet haben, wie sie sich fühlen, welche Bedürfnisse (un)erfüllt sind, welche Bitte sie haben könnten und äußere das in Frageform?
Wissen/intellektuelles Herumraten
Gehe ich mit einer wissenden Haltung in die Situation, erschwere ich die Verbindung zwischen uns und die des anderen zu sich selbst.
Du kannst dir folgende Frage stellen:
Äußere ich eine Feststellung, was andere beobachtet haben, wie sie sich fühlen, welche Bedürfnisse (un)erfüllt sind?
(Schlüsselunterscheidung Nr. 30 entnommen aus „Das große Praxisbuch zum wertschätzenden Miteinander – 101 Übungen zur Inspiration Ihrer Seminare und Gruppen auf Basis der Gewaltfreien
Kommunikation“)
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Mach dir dein Leben leicht und übe dich im empathischen Vermuten
Wenn du dich ärgerst, dann erforsche die Ursache und den Auslöser. Die oben beschriebene Schlüsselunterscheidung kann dir dabei als Unterstützung dienen. Vielleicht gibt es ähnliche Situationen, die dich immer wieder ärgerlich oder wütend werden lassen. Dann schau hin, was genau der Auslöser ist. Vielleicht gibt es eine andere Ursache für deinen Ärger?
Wenn du eine Erkenntnis dazu hattest, dann hinterlass mir und allen Lesenden einen Kommentar. Ich bin gespannt und freue mich von dir zu lesen.
Bildquelle: www.pixabay.com und Birgit Schulze und Yo Rühmer
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